
In Florian Pfeffers großartigem Buch “To Do: Die neue Rolle der Gestaltung in einer veränderten Welt” bin ich auf einen Begriff gestoßen, den ich sehr interessant finde: Frugales Design. So wie ich ihn verstehe meint er, dass ein Ding für nur eine Funktion entwicklelt und für nichts mehr. Bei vielen Objekten ist das sowieso der Fall: Eine Gabel nutzt man zum Essen, einen Dosenöffner zum Öffnen einer Dose. Bei digitalen Geräten sieht das aber ganz anders aus: Spätestens seit 2008 ist jedes Telefon ein Supercomputer mit unbegrenzten Features: Über dieses kleine Gerät haben wir die ganze Welt in der Hosentasche.
Der versteckte Preis für diese praktische Erfindung war rückblickend sehr hoch. Heute verschenken wir bedenkenlos unsere Privatsphäre, unsere Daten, unser Souveränität, unsere Unabhängigkeit für ein paar nützliche und kostenlose Apps und Gadgets. Mit dem Smartphone kamen die Notifications, die Messengers, die abertausend unbedeutenden Nachrichten, die uns aus der Konzentration reissen. Wir sind immer “on”, “up to date” und Hand auf’s Herz: Ein bisschen süchtig sind wir auch.
Es ist ein ganz normaler Samstag im Sommer, an dem ich meine Wohnung in Ordnung bringe. Wie fast jedes Mal nehme ich dabei die schwere Kiste aus dem Schrank, in der viele elektronische Geräte lagern, die der technische Fortschritt inzwischen überholt und damit scheinbar wertlos gemacht hat. Sofort fällt mir der iPod nano auf, den ich um 2005 so sehr geliebt habe. Als Anfang Zwanzigjähriger kam dieser winzig kleine mp3-Player in mein Leben und veränderte fundamental, wie ich über Musik als Medium nachdachte. Zu dieser Zeit hatte ich ein festes Ritual: Sobald ich am Anfang eines neuen Monats Geld bekam, kaufte ich mir eine neue Musik CD. Das war ein heute unvorstellbares Glück. Ein neues Album war eine Horizonterweiterung um 10 bis 15 neue Songs, ein heiliges Objekt, ein Statement und ein Quelle von Inspiration.
Mein iPod Nano hatte eine ganz besondere und unendlich wertvolle Funktion. Mit seinen 2 GigaByte Speicher konnte ich darauf meine wichtigsten Musikalben unterwegs hören. Natürlich war das auch vorher möglich, über meinen Walkman, über Kassetten und Mixtapes könnte man eine weitere, vielleicht noch romantischere Geschichte schreiben. Das Besondere an diesem iPod war, dass er so klein war, dass man ihn in jede noch so kleine Hosentasche hineinbekam und ich darauf ganze 17 Alben speichern konnte. Heute, also 17 Jahre nach der Vorstellung des kleinen Wunders, fällt mir eine Eigenschaft auf, die den iPod zu einer Art steinzeitlichen Relikt macht: Die Tasache, dass er nur einem einzigen Zweck diente – dem Abspielen von Musik. Der iPod war von Haus aus dumm, er brauchte kein Internet und streng genommen auch kein Server auf anderen Kontinent, um Musik zu spielen. Er benötigte ein wenig Strom, das war alles.
Die Evolution des kleinen Wunders schlug 2007 eine Bahn ein, die es zum revolutionärsten Erfindung des noch jungen 21. Jahrhundertsmachen sollte. Aus der Idee kleinen Musikplayers wurde der Supercomputer, den wir heute alle in der Tasche tragen und der uns heute den Takt des Lebens diktiert.
Published Dec 11, 2024 by Tim Rodenbröker
Last update Dec 11, 2024